INTIMACY / Plug-in - Exploit - Care

12. bis 14. September 2014, Jeweils 15 - 18 Uhr
Bank Austria Salon im Alten Rathaus, Wipplingerstraße 6-8, 1010 Wien

Plug-in - Exploit - Care
 
Das paraflows.9-Symposion seziert das diesjährige Festivalthema “Intimacy” im bewährten analytischen Dreischritt, der sich von den Techniken der Verbindung (Tag 1: “Plug-In”) über die Strategien der Verwertung (Tag 2: “Exploit”) bis zu wechselseitigen Pflegeverhältnissen von Menschen und Gerätschaften (Tag 3: “Care”) vorarbeitet.


Öffnet einen internen Link im aktuellen FensterPlug-In

Die Digitalität ist dem Menschen der Gegenwart viel näher gekommen als epochemachende Technologien der Vergangenheit. Digitalität ermöglicht es in zugleich integrativer und transgressiver Weise, Schnittstellen zu bilden und Systeme zu vernetzen, die bisher kategorial und substantiell verschieden waren. Neue Möglichkeitsräume werden aufgeschlossen und neue Prothesen bereitgestellt, alte verbessert, präziser und günstiger gemacht. Zieht man vom Cyborg der Gegenwart allerdings die spekulative Übertreibung ab – den Terminator und den Übermenschen –, so hat er bereits viel mit uns gemeinsam: Anorganische Enhancements, Apps oder Features haben längst unsere Körperoberfläche durchdrungen, sei es als kulturelle Zeichen (wie im Falle von Piercings), als körpertechnologische Auf- bzw. Umrüstung (wie im Falle von Prothesen und Implantaten) oder als Erweiterung unserer kognitiven Kapazitäten (wie im Falle von Daten und Algorithmen bzw. Software). Dabei markiert digitale Schnittstellentechnologie aber keinen fundamentalen Bruch in der spezifisch menschlichen Technologiegeschichte. Was sie von älterer Technik unterscheidet, ist lediglich ihr Potential, die Wechselbeziehungen zwischen Mensch und Technologie zu steigern, und uns in diese Abläufe so sehr einzubinden, dass angesichts moderner Informationsarbeit der Eindruck eines Cyborgdaseins umso evidenter wird, umso passgenauer wir in sie verwoben sind.


Öffnet einen internen Link im aktuellen FensterExploit

Wo das bürgerliche Private immerhin noch Zufluchtsort vor einer von ökonomischen und ideologischen Interessen beherrschten Öffentlichkeit war – in dem sich z.B. eine abweichende Sexualität und ein gewisses Maß an Nonkonformität ausleben ließen –, entfaltet die Transparenz digitaler Lebensweisen abseits neuer Freiheiten einen Anpassungsdruck. Und ebenso die Möglichkeit die Nachstellungen der Ökonomie bis in unsere intimen Rückzugsräume auszudehnen. So verbringen wir unsere Arbeitszeit vor demselben Apparat, den wir auch zur Gestaltung unserer Freizeit nutzen, was die Integration des einen in das andere – der Arbeit in die gesamte tägliche Wachzeit – befördert. Die für eine fordistische Arbeitswirklichkeit charakteristische Aufspaltung des Lebens in Phasen der Produktivität und der (diese begründenden und erneuernden) Reproduktivität werden durch die Universalität des Computers aufgehoben, nicht aber, um das Produktivitätsparadigma an sich zu  überwinden, sondern um ihm auch jene Abschnitte unseres Lebens einzuverleiben, die bisher der Verwertung entzogen blieben. Die Info-Worker_innen der digitalen Kultur müssen sich darüber bewusst sein, dass ihr Lebensstil, so glamourös er fallweise aussehen mag, ein Experimentierfeld für den erweiterten Zugriff des Inwertsetzungsparadigmas auf das gesamte menschliche Leben darstellt.


Öffnet einen internen Link im aktuellen FensterCare

Worin besteht jene Erotik der Geräte, die wir an ihnen bemerken, ohne wirklich benennen zu können,  was diese ausmacht – jenseits von Floskeln wie Benutzer_innenfreundlichkeit, designerischem Schnickschnack oder Cybersexfantasien? Wie – durch welche sinnliche, ästhetische oder interaktionelle Qualität – bringen sie uns dazu, mit ihnen zu arbeiten und ihnen immer mehr Macht über unser Leben einzuräumen, ihnen immer mehr von uns preiszugeben, zu vertrauen und – auch das – an sie zu glauben? Im prosthetisch verschalteten Aggregratszustand ist die dauerhafte - und wechselseitige - Pflege der Verbindungen und der Verbundenen unabdingbar: Software muss aktualisiert werden, Statusmeldungen und Profileinträge sind ebenso aktuell zu halten wie die Kommunikation der Beteiligten nicht abreißen darf (wobei die Möglichkeiten der phatischen Kommunikation dank Like-, Fave-, Share-, etc. Buttons vielfältig geworden sind). Doch auch umgekehrt achten die Geräte auf uns bzw. unterstützen uns in Aspekten der Selbstpflege, von der Quantified-Self-Bewegung bis zu Telecare, ein jüngerer Ansatz, der Pflegebedüftigen ein autonomes Leben in den eigenen vier Wänden technologiegestützt ermöglichen will.